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Rechtsanwalt Jens Plümpe

Rechtsanwalt Jens Plümpe, LL.M. (Lond.)
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Die Deliktsforderung in der Insolvenz - § 302 Nr. 1 InsO

Jens Plümpe
05. November 2023

Insolvenzgläubiger haben verschiedene Möglichkeiten, die von einem Schuldner angestrebte Restschuldbefreiung zu beeinträchtigen. Neben der Versagung der Restschuldbefreiung insgesamt wird die Restschuldbefreiung auch dann erheblich beeinträchtigt, wenn einzelne Forderungen von ihr ausgenommen werden. Dies kann auf der Grundlage von § 302 Nr. 1 InsO geschehen. Dazu kommt es seit geraumer Zeit zunehmend[1] dadurch, dass Gläubiger von der Möglichkeit Gebrauch machen, ihre Insolvenzforderungsanmeldung um die Behauptung ergänzen, der Schuldner habe ihnen gegenüber vorsätzlich eine unerlaubte Handlung begangen, sodass die Insolvenzforderung – zumindest – auch darauf beruhe. Wenn dies zur Tabelle widerspruchslos festgestellt wird, ist die Forderung dieses Gläubigers von der Restschuldbefreiung ausgenommen und verbleibt somit in vollem Umfang gegenüber dem Schuldner wirksam. Je nach der Höhe der Forderung ist dies für Schuldner fatal, sodass das vermieden werden muss.

Anmeldung des Deliktsmerkmals

Die Möglichkeit des Gläubigers zur Anmeldung des sogenannten Deliktsmerkmals ergibt sich aus § 174 Abs. 2 InsO. Bei der Anmeldung des Deliktmerkmals muss der Gläubiger den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in der Anmeldung lediglich so beschreiben, dass der aus ihm hergeleitete Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt ist und der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten ihm vorgeworfen wird. Einer schlüssigen Darlegung des Deliktstatbestands bedarf es nicht! (BGH, Urt. v. 09.01.2014 – IX ZR 103/13).

Das bedeutet, dass die Anforderungen, die der Gläubiger erfüllen muss, damit die Forderung mit dem Deliktsmerkmal zur Tabelle festgestellt wird, sehr niedrig sind. Ob der Schuldner tatsächlich deliktisch gehandelt hat, prüfen weder der Insolvenzverwalter noch das Insolvenzgericht!

Anhörung des Schuldners

Das Insolvenzgericht hört den Schuldner vor der Prüfung der angemeldeten Forderung und deren Feststellung zur Tabelle im schriftlichen Verfahren. Widerspricht der Schuldner der Forderung und dem Deliktsmerkmal selbst nicht, so wird die Forderung mit diesem Merkmal zur Tabelle festgestellt. Die Eintragung in die Tabelle entspricht einem rechtskräftigen Urteil gegen den Schuldner, das von diesem nicht mehr angefochten werden kann, § 178 Abs. 3 InsO. Die Forderung wird von der Restschuldbefreiung nicht erfasst.

Tipp

Wichtig: Ein Schuldner, der erfährt, dass ein Gläubiger seine Forderung mit dem Deliktsmerkmal angemeldet hat, sollte vorsorglich stets widersprechen. Denn nur dann besteht die Möglichkeit, dem Deliktsmerkmal später weiter entgegenzutreten. Sollte der Gläubiger trotz des Widerspruchs des Schuldners die Anmeldung des Deliktsmerkmals nicht zurücknehmen, sollte der Schuldner eine Klage gegen die Feststellung einer unerlaubten Handlung erheben.

Vollstreckung trotz Widerspruch

Denn der isolierte Widerspruch des Schuldners gegen das Deliktsmerkmal verhindert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Vollstreckung aus dem Tabellenauszug nach dem Ende des Insolvenzverfahrens nicht! Dass der Insolvenzgläubiger aus seiner Tabellenforderung auch dann gegen den Schuldner wie ein Deliktsgläubiger vollstrecken kann, gilt also auch dann, wenn der Schuldner im Insolvenzverfahren dem Deliktsmerkmal isoliert widersprochen hat. (BGH, Beschluss vom 03.04.2014 – IX ZB 93/13). Wenn also der Schuldner die Forderung des Gläubigers als solche nicht bestreitet, sondern lediglich, dass er deliktisch gehandelt hat, kann der Gläubiger nach Abschluss des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung gegen den Schuldner vollstrecken. Der isolierte Widerspruch gegen das Deliktsmerkmal bewirkt also keinen unmittelbaren Schutz zugunsten des Schuldners und steht der Vollstreckungsmöglichkeit des Gläubigers nicht entgegen!

Klärung der Deliktsfrage entscheidend:

Daher ist es ratsam, dass der Schuldner möglichst zeitnah nach seinem Widerspruch die Frage klärt, ob ihm zurecht ein Delikt vorgeworfen wird. Nur so kann der Schuldner vor dem Ende des Insolvenzverfahrens wissen, ob er sich sofort nach Abschluss des Verfahrens wieder Vollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger ausgesetzt sieht. Dies geht nach einer entsprechenden fachmännischen Vorprüfung abschließend mit einer sogenannten negativen Feststellungsklage, die gegen den Insolvenzgläubiger und das von ihm behauptete Deliktsmerkmal gerichtet ist.

Beispiel:

Nach einer entsprechenden Vorprüfung und Erhebung einer Klage durch uns hat das Landgericht Düsseldorf hinsichtlich einer Insolvenzforderung von über 55.000,00 €, die in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen unseres Mandanten mit einem Deliktsmerkmal angemeldet worden ist, mit Urteil vom 15.10.2023 festgestellt, dass der Mandant nicht deliktisch gehandelt hat (LG Düsseldorf, 5 O 178/22). Der Kläger behauptete Schlechtleistung des Insolvenzschuldners, auf die sich aber sicher ein Vorsatz des Schuldners nicht bezogen hatte. Das Urteil des Landgerichts hat zur Folge, dass die angebliche Deliktsforderung nun doch von der Restschuldbefreiung erfasst sein wird und nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr gegen unseren Mandanten verfolgt werden kann.

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[1] Derzeit wird eine Mandantin von uns wegen fünf angeblicher Deliktsforderungen vertreten, die für fünf verschiedene Gläubiger von einer Rechtsanwaltskanzlei angemeldet worden sind.

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